Top
Logo - Selbsthilfefreundlichkeit und Patientenorientierung im Gesundheitswesen

Selbsthilfefreundlichkeit im Gesundheitswesen

Wir sind uns einig: Networking ist in vielen Bereichen äußerst hilfreich. Aber wie läuft das zwischen Selbsthilfeaktivitäten und Gesundheitsberufen? Findet dort auch ein Austausch statt? Und wenn ja – wie wirkt dieser? Ein Fachbeitrag, der ein sehr wichtiges Thema – die Selbsthilfefreundlichkeit – in den Fokus rückt.

Ein Netzwerk mit einer Idee, die eint

Im Netzwerk “Selbsthilfefreundlichkeit und Patientenorientierung im Gesundheitswesen” haben sich Gesundheitseinrichtungen, Selbsthilfeorganisationen und Privatpersonen zusammengeschlossen. Basis ist eine gemeinsame Idee: Die Zusammenarbeit mit Selbsthilfegruppen fördert das patientenorientierte Handeln von Gesundheitseinrichtungen!

Die Erfahrungen zeigen:

  • Die Selbsthilfe bietet ein nahezu unerschöpfliches Potential an Erfahrungswissen und Betroffenenkompetenz. Selbsthilfefreundliche Gesundheitseinrichtungen lassen daher dieses Know-how zum Wohle ihrer Patient*innen unmittelbar in ihr ärztliches und pflegerisches Handeln einfließen.
  • Patient*innen mit chronischen Erkrankungen und Angehörige müssen oftmals ihr Leben lang mit den Folgen ihrer Erkrankung leben. In der gemeinschaftlichen Selbsthilfe finden sie Unterstützung für den Alltag und das Verständnis Gleichbetroffener. Sie treffen auf ein soziales Netz, das auch in schwierigen Lebenslagen hält. Aus diesem Grund fördern selbsthilfefreundliche Gesundheitseinrichtungen aktiv den Kontakt zwischen Patient*innen, ihren Angehörigen und der Selbsthilfe.

Vielerorts gibt es eine über lange Jahre gewachsene Kooperation zwischen Selbsthilfeaktiven und Fachkräften aus Gesundheitsberufen. Diese Zusammenarbeit beruht aber meist auf persönlichen Kontakten. Dadurch ist sie fragil: Fällt eine der Ansprechpersonen aus, droht das Ende der Kooperation. Eine systematische und strukturierte Zusammenarbeit von Gesundheitseinrichtungen mit Selbsthilfegruppen und ihren Unterstützungsstrukturen ist dagegen häufig noch nicht etabliert.

Strukturierter Aufbau von Kooperationen

Genau hier setzt die Arbeit des Netzwerks an. Gemeinsam mit Vertreter*innen aus der Selbsthilfe und aus Gesundheitseinrichtungen hat es ein Kooperationskonzept entwickelt. Dieses ermöglicht einen strukturierten, systematischen und damit weitestgehend personenunabhängigen Kooperationsaufbau.

Dafür sieht es ein Kooperationsdreieck aus Gesundheitseinrichtung, Selbsthilfegruppen und der örtlichen Selbsthilfekontaktstelle vor. Qualitätskriterien bieten Orientierung für die inhaltliche Ausgestaltung der Kooperation. Klar ist, Zusammenarbeit beinhaltet mehr, als die Auslage von Informationsmaterial.

Qualitätskriterien für Selbsthilfefreundlichkeit

  • Selbstdarstellung ermöglichen: Für Selbsthilfe werden Räume, Infrastruktur sowie Präsentationsmöglichkeiten zur Verfügung gestellt.
  • Auf Teilnahmemöglichkeit wird hingewiesen: Patient*innen und ihre Angehörigen werden regelhaft und persönlich über die Möglichkeit zur Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe informiert.
  • Die Öffentlichkeitsarbeit wird unterstützt: Selbsthilfegruppen werden in der Öffentlichkeit unterstützt. Sie treten gegenüber der Fachöffentlichkeit als Kooperationspartner auf.
  • Der Informations- und Erfahrungsaustausch ist gesichert: Zwischen Selbsthilfegruppen, Selbsthilfekontaktstelle und Gesundheitseinrichtung findet ein regelmäßiger Informations- und Erfahrungsaustausch statt.
  • Zum Thema Selbsthilfe wird qualifiziert: Die Mitarbeiter*innen der Gesundheitseinrichtung sind über das Thema Selbsthilfe informiert. Die Fort- und Weiterbildungen zur Selbsthilfe werden gemeinsam mit Selbsthilfegruppen bzw. Selbsthilfekontaktstelle durchgeführt.
  • Partizipation der Selbsthilfe wird ermöglicht: Die Einrichtung ermöglicht Vertreter*innen der Selbsthilfe die Mitarbeit in geeigneten Gremien der Gesundheitseinrichtung.

Das Ziel ist eine verlässliche Zusammenarbeit, die für alle Kooperationspartner und vor allem für Patient*innen gewinnbringend ist. Es werden sowohl Selbsthilfepotentiale bei erkrankten Menschen aktiviert als auch systematische Mitwirkungs- und Beteiligungsmöglichkeiten für die Selbsthilfe geschaffen. Damit wird das in ihr gebündelte Erfahrungswissen für die Verbesserung von Diagnose, Behandlung und Prävention nutzbar gemacht.

Ein Zertifikat für die Selbsthilfefreundlichkeit

Über 250 Netzwerkmitglieder nutzen heute das Konzept als Leitfaden für die Gestaltung ihrer eigenen Kooperationen. Gelingt diese, können Einrichtungen sich für ihre Selbsthilfefreundlichkeit auszeichnen lassen. Aktuell sind bundesweit 25 Krankenhäuser und 12 Rehakliniken mit über 290 in ihnen aktiven Selbsthilfegruppen als selbsthilfefreundlich ausgezeichnet. Als erstes Haus in Bayern hat das Krankenhaus Barmherzige Brüder Regensburg das Konzept gemeinsam mit KISS Regensburg umgesetzt. Seit 2014 hat dieses die Auszeichnung nun bereits zum 3. Mal erhalten. 2017 folgten die Auszeichnungen des Bezirkskrankenhauses Lohr am Main sowie der Rehabilitationsklinik Medical Park Loipl.

#selbsthilfefreundlich werden

Das Netzwerk Selbsthilfefreundlichkeit und Patientenorientierung im Gesundheitswesen bietet eine kostenfreie Mitgliedschaft. Dort erhalten Gesundheitseinrichtungen, Selbsthilfekontaktstellen und Selbsthilfezusammenschlüsse, die ihre Kooperationen verstetigen möchten, freien Zugang zum Konzept und zu spezifischen Beratungs- und Schulungsangeboten.

Der Paritätische in Bayern ist seit Mai 2019 selbst Mitglied im Netzwerk als erster Spitzenverband der Freien Wohlfahrtspflege. Der Paritätische in Bayern engagiert sich auf allen Ebenen der gesetzlichen Selbsthilfeförderung. Er vertritt sowohl Selbsthilfegruppen als auch Landesorganisationen bei ihren Anträgen. Er ist eine der maßgeblichen Säulen der Selbsthilfe, daher war die Mitgliedschaft ein logischer nächster Schritt.

Antje Liesener ist Bundeskoordinatorin im Netzwerk Selbsthilfefreundlichkeit und Patientenorientierung im Gesundheitswesen. Weitere Informationen findet ihr auf der Internetseite: Netzwerk Selbsthilfefreundlichkeit und Patientenorientierung im Gesundheitswesen / NAKOS. Das Netzwerk wird gemeinsam gefördert von AOK Bundesverband, BARMER und BKK Dachverband.

Foto: Netzwerk Selbsthilfefreundlichkeit und Patientenorientierung im Gesundheitswesen / NAKOS

Skip to content