
Mehr als ein Stuhlkreis – Warum Zusammensein hilft.
Lisbeth Wagner von KISS Regensburg schreibt über die Wirkung von Selbsthilfe. Sie erklärt, warum der Austausch und das Zusammensein hilft. Und warum viele zögern, bevor sie “einfach” zu einem Treffen gehen. Ein Artikel der Mut und Lust macht, den ersten Schritt zur Selbsthilfe zu gehen.
Gemeinsam sind wir stark
Wer kennt das nicht? In dem Moment wo ich ECHTEN Kontakt habe zu mir nahestehenden Menschen, zu Vertrauten, zu Gleichgesinnten, immer wenn ich in guter Gesellschaft bin: dann haben trübselige, melancholische und schwere Gedanken Pause.
Teil eines WIR sein, Gemeinschaft fühlen. Selbsthilfeaktive beschreiben oft das befreiende Erleben, dass sie sich von den anderen in der Gruppe schnell verstanden fühlen. „Geteiltes Leid ist halbes Leid!“ sagt der Volksmund und „Geteilte Freude ist doppelte Freude!“ Das geschieht auch oft bei den Treffen: Eine Begegnung mit dem prallen Leben, mit Allem, was dazu gehört. Menschen in der Selbsthilfe schätzen die Offenheit des Austausches ganz besonders und Viele haben schon beim ersten Treffen das Gefühl: Hier bin ich richtig! Hier kann ich sein wie ich bin und muss mich nicht verstellen.
Zusammen sind wir mehr
In der Selbsthilfegruppe treffen sich Menschen, weil sie es gerne tun weil, sie wissen, dass mit anderen Zusammensein hilft. Zusätzlich zu den gewohnten Bahnen entstehen neue Wege: erproben, was sich bei anderen bewährt hat, neue Ideen entwickeln und entdecken, wie man Dinge anders angehen könnte. Die Möglichkeiten, Lösungen zu finden, werden definitiv mehr. „Nimm Dir was Du brauchst – den Rest lass hier!“ ist ein Slogan aus der Selbsthilfe, der gut beschreibt, was wesentlich ist. Jedes Gruppenmitglied darf sein eigenes Ding machen, jede*r ist Expert*in nur für sich. Und gerade deswegen entsteht fast paradoxerweise zusammen eine Vielfalt und ein gemeinsames Mehr. „Nur Du allein schaffst es, aber Du schaffst es nicht allein!“
Schon einmal an Selbsthilfegruppen gedacht
Gedacht ja. Mehr als 70 % der Bevölkerung findet Selbsthilfe eine gute Sache. Aber nur etwa jede zehnte Person ist über einen längeren Zeitraum in der Selbsthilfe aktiv gewesen oder beteiligt sich aktuell daran.
„Der erste Schritt ist der schwierigste!“ sagen viele. Zugeben, dass man Hilfe sucht und etwas ändern will. Das Zögern, einfach zu einem Treffen zu gehen, liegt auch daran, dass es viele Vorurteile über die Selbsthilfe gibt. Ist der Kontakt geknüpft, dann ist es oft ganz einfach wieder zu kommen. Die anderen in der Gruppe hören zu, machen Mut, bekräftigen und stärken einem den Rücken, statt auf die Fehler und Defizite zu schauen. Man merkt: Das Zusammensein hilft.
Mehr als ein Stuhlkreis
Immer wieder sieht man in Filmen, wie die Menschen klischeehaft in der Selbsthilfe im Stuhlkreis sitzen und sich vorstellen mit: „Hallo mein Name ist …“. Es gibt natürlich Gruppen, die ihre Treffen im Kreis verbringen, weil sich dann auch alle sehen und sich das positiv auf die Kommunikation untereinander auswirkt. Die meisten Gruppen machen aber noch viel MEHR: Sie organisieren Vorträge, gestalten Infotische oder Mitmachaktionen, besuchen Neu-Erkrankte in der Klinik, beraten am Telefon, oder arbeiten eng mit Profis im Sozial- und Gesundheitswesen zusammen. Sie machen Ausflüge und Gruppenunternehmungen, gehen zusammen ins Café oder organisieren Feste.
Einige gestalten ihre Treffen auch ganz anders. Die Beteiligten gehen zusammen spazieren, meditieren gemeinsam, spielen Theater oder probieren neue Verhaltensweisen für den Alltag aus.
Selbsthilfe ist gegenseitige Hilfe
Bei aller Unterschiedlichkeit verbindet die Menschen in der Selbsthilfe das gemeinsame Thema und der Wunsch nach einem zufriedenen und glücklichen Leben trotz Krankheit, Krise oder einschränkender Lebensumstände. Das Weitergeben von Wissen und Informationen, das Teilen der persönlichen Fortschritte aber auch mancher Rückschläge fördern den Zusammenhalt. In den gemeinsamen Aktivitäten und Unternehmungen wächst die Gemeinschaft zusammen.
Aktive in der Selbsthilfe sind die besser informierten Patient*innen und können selbstbewusster mit den Mediziner*innen auch über neue oder alternative Behandlungsmethoden sprechen. Selbsthilfe erhöht das Selbstbewusstsein, fördert Eigenaktivität und erweitert die eigene Autonomie und Unabhängigkeit. Das ist vielfach erforscht und mittlerweile unumstritten.
Lisbeth Wagner ist Selbsthilfeunterstützerin bei KISS Regensburg und Mentorin des Netzwerkes Selbsthilfefreundlichkeit für Bayern. Weitere Informationen findest du auf der Homepage von KISS.
Foto: SHG Krebs behandelter Frauen Bad Kissingen