
Datenschutz-Grundverordnung und Selbsthilfe
Herausforderung Datenschutz-Grundverordnung: Um es vorweg zu sagen – die Selbsthilfelandschaft ist nicht verdorrt. Kein Musikverein hat seinen Trommlerzug in die Wüste geschickt und kein Fußballverein seine Spieler vom Platz geholt. Unsere Autorin berichtet über die Situation ein Jahr nach Inkrafttreten der DSGVO.
Einführung der Datenschutz-Grundverordnung
Als im Mai 2018 die Brüsseler Verordnung verbindliches Recht wurde, schlug das Thema hohe Wellen in der Presse. Ein Tsunami erfasste Firmen, Betriebe, die großen Institutionen der Wohlfahrtspflege sowie Selbsthilfeorganisationen und ihre Unterstützungseinrichtungen. Ebenso schlugen mehr oder weniger sanfte Wellen an die Gestade der Vereine und Selbsthilfegruppen. Sie verursachten Angst und Schrecken.
Zugegeben: Die Datenschutz-Grundverordnung als Europäische Norm glänzt nicht durch Übersichtlichkeit und Transparenz. Auch im Hinblick, dass ergänzend hierzu ein neues deutsches Datenschutzgesetz gelesen werden muss. Aber das ist noch nicht alles: Überdies existiert noch eine „Bedienungsanleitung“ in Form von „Erwägungsgründen zur DSGVO“. Dieser Umstand hat die Bereitschaft, sich mit diesem Thema auseinander zu setzen, nicht unbedingt gesteigert.
Aber wie erging es der Selbsthilfe und deren einzelnen Akteuren nun in diesem Jahr?
Die großen Organisationen
In der gesundheitsbezogenen und sozialen Selbsthilfe auf Landes- oder Bundesebene wurde sich natürlich professionellen Rat geholt. Weiterhin haben sie für den Umgang mit ihren Daten neue Strategien entwickelt. Datenbanken wurden durchforstet und umstrukturiert. Eine E-Mail-Schwemme gegenüber ihren Mitgliedern mit der Bitte um Zustimmung zur Datenverarbeitung wurde ausgelöst. Manchmal war dies auch Anlass, grundsätzlich über das „Wie“, also die Organisation der Datenverarbeitung nachzudenken. Zum Beispiel auch bei Hard- und Software nachzurüsten.
Die Selbsthilfekontaktstellen
Anders war es bei den Selbsthilfekontaktstellen. Durch ihre Unterstützungleistung für örtliche Selbsthilfegruppen standen diese vor großen Problemen. Denn ihr Kernthema war und ist ja gerade das Sammeln und die Weitergabe von personenbezogenen Daten. Und, um die Terminologie der DSGVO zu bemühen, sind sie insbesondere mit der „Verarbeitung der besonderen Kategorie der personenbezogenen Daten“ beschäftigt. Kurz: Alle Informationen über eine Person (zum Beispiel: gesundheitsbezogene Daten, ethnische, religiöse oder weltanschauliche Zugehörigkeit etc.) gehören zu dieser Kategorie.
Dadurch lösen sie bei denjenigen, die Daten verarbeiten, besondere Pflichten aus. Immer sind die Fragestellung nach dem Zweck und die Berechtigung zur Datenverarbeitung einwandfrei und rechtsverbindlich zu beantworten. Zum Thema „Rechtsgrund der Verarbeitung“ gehört in diesem Zusammenhang vor allem die Einwilligung des Betroffenen.
Über Form und Inhalt, wie diese Einwilligung auszusehen hat, wurde ausführlich diskutiert. Beispielsweise ob schriftlich oder mündlich, vorformuliert oder individuell, per E-Mail und einfache Bestätigung durch Setzen eines Hackens.
Selbsthilfegruppen
Aber auch die Selbsthilfegruppen selbst blieben und bleiben vom Thema „Datenschutz“ nicht verschont. Denn die DSGVO bestimmt, dass jeder der Daten verarbeitet in den Anwendungsbereich der Datenschutznormen fällt. Lediglich, wenn Daten nur für private oder familiäre Zwecke gespeichert oder verarbeitet werden, gilt die DSGVO nicht. Damit sind sozusagen die Excel-Tabellen mit der Gästeliste zum runden Geburtstag ausgespart. Für die Erstellung dieser Listen gilt die DSGVO nicht.
Besondere Herausforderung für Selbsthilfegruppen ohne Vereinsstatus
Für den Geltungsbereich der DSGVO ist es auch unbeachtlich, welche Organisationsform eine Selbsthilfegruppe besitzt. Rechtlich gesprochen, ob sie ein Verein oder „nur“ eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts ist. Für die Selbsthilfegruppen ohne Vereinsstatus war es am schwierigsten, sich mit der Brüsseler Bürokratie auseinander zu setzen.
Aufgrund ihrer Rechtsform als Gesellschaft des bürgerlichen Rechts war es nie erforderlich, einen Vorstand als rechtsverbindliche Vertretung zu wählen. Auch mussten keine andere zwingende Formvorschriften eingehalten werden. Dennoch fordert die DSGVO, dass auch bei ihnen ein für den Datenschutz Verantwortlicher gefunden wird. Weiterhin ist ein Verarbeitungsverzeichnis zu erstellen und zu führen.
Diese zwei Punkte stellen nach wie vor die größten Herausforderungen für die Gruppen dar. Aber nach der erfolgreichen Suche nach einem Verantwortlichen und dem Erstellen eines Verarbeitungsverzeichnisses können sich die Gruppen entspannt zurücklehnen und sich wieder ihren eigentlichen Aufgaben widmen.
Die weitere gute Nachricht ist, dass Selbsthilfegruppen in der Regel auch keinen Datenschutzbeauftragten brauchen. Datenschutzbeauftrage und Verantwortlicher sind übrigens nicht identisch. Ein Datenschutzbeauftragter ist nur für diejenigen Organisationen erforderlich, in der zehn oder mehr Personen mit der Datenverarbeitung befasst sind. Wohl gemerkt: Nicht die Gruppe besteht aus zehn Personen, sondern es müssen zehn oder mehr Personen regelmäßig und ständig Daten verarbeiten.
Größeres Problembewusstsein durch die Datenschutz-Grundverordnung
Der Hype über die Datenschutz-Grundverordnung hat sensibilisiert. Es ist ein Problembewusstsein über den bewussten und richtigen Umgang mit Daten entstanden. Geholfen haben hierzu bestimmt auch viele Fortbildungen. Diese wurden von den Selbsthilfeorganisationen und Selbsthilfeunterstützern wie den Kontaktstellen oder Wohlfahrtsverbänden angeboten.
Das Gebot der Verschwiegenheit ist Voraussetzung für eine erfolgreiche und nachhaltige Selbsthilfearbeit. Schon allein aufgrund dessen gibt es in den Gruppen gefühlt viele Verantwortliche für den Datenschutz. Aufgabe ist es aber, innerhalb der Gruppen diese Funktion auch verbindlich zu besetzen. In den Vereinen fällt dies quasi automatisch dem Vorstand zu. Für Selbsthilfegruppen ohne Vereinsstruktur haben sich wohl viele Gruppensprecher/innen nolens volens dieser Aufgabe angenommen.
Allein das Verarbeitungsverzeichnis harrt in vielen Fällen noch seiner Erstellung. Hier ist sicherlich noch weitere Aufklärungsarbeit und Unterstützung notwendig. Inzwischen gibt es hierfür einige sehr gute Hilfsmittel und Vorlagen. Dieser Hinweis sollte zu diesem Zwecke noch besser kommuniziert werden. Denn damit kann auch eine „kleine“ Selbsthilfegruppe diese Aufgabe bewältigen.
Die Selbsthilfelandschaft blüht nach wie vor
Insgesamt lässt sich somit sagen, dass das Thema „Datenschutz in der Selbsthilfe“ einen Gutteil seines Schreckens verloren hat. Er ist auf ein Maß geschrumpft, das einen unaufgeregten Umgang damit zulässt. Zwar ist zur endgültigen Umsetzung des Datenschutzes innerhalb der Gruppen schon noch einiges an Formalitäten erforderlich. Aber aus heutiger Sicht erscheinen die Probleme kleiner und handhabbar. Die Selbsthilfelandschaft blüht also nach wie vor!
Unsere Autorin Renate Mitleger-Lehner ist Rechtsanwältin. Sie engagiert sich seit Jahren für das Thema Selbsthilfe und ist Mitglied im Vorstand beim SeKo Bayern. Auf der Homepage vom Paritätischen findest Du weitere Informationen zur Datenschutzgrundverordnung für Unternehmen und Vereine. Oder einfach beim Bayerischen Landesamt für Datenschutzaufsicht vorbeischauen.
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